Warum wir aufhören sollten, unsere Kinder zu „erziehen“

Warum wir aufhören sollten, unsere Kinder zu „erziehen“

Immer mal wieder begegnen mir in den letzten Jahren in den sozialen Medien Bilder mit einem durchgestrichenen

Protect your daugthers„, und darunter:

„educate, your sons“

Und ich habe auch schon ein paar mal mit eigenen Posts darauf reagiert, in denen ich schrieb:

„Ich finde, wir sollten das Gegenteil tun:

Wir sollten aufhören, unsere Söhne zu erziehen.
Wir sollten aufhören, unseren Söhnen beizubringen, dass „Indianer nicht weinen“.
Wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, dass ihre Leistung wichtiger sei als das, was sie fühlen.
Wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, dass sie stark sein müssen, um ein richtiger Mann zu sein.
Wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, dass sie ein Problem seien, weil sie Jungs/Männer sind.
wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, dass sie eine Frau erobern müssen.
Wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, dass sie zwar Mädchen/Frauen nicht schlagen dürfen, aber selbst Schläge von Mädchen/Frauen hinzunehmen haben.
Wir sollten aufhören, ohne ihre ausdrückliche und volljährige Einwilligung ihre Genitalien zu verstümmeln und das als Kleinigkeit abzutun.
Wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, dass sie weniger Empathie benötigen als unsere Töchter.

Wenn wir aufhören, unsere Söhne derart zu erziehen, ist das der beste Schutz, den unsere Töchter bekommen könnten: Jungen, die Empathie erleben durften.
Weil wir als Kinder Empathie am eigenen Leib, an eigener Seele erleben müssen, um unsere Empathie entfalten zu können und als Erwachsene mittfühlend sein zu können.

Hören wir endlich auf, unsere Söhne zu erziehen! Damit sie die mitfühlenden Wesen bleiben dürfen, als die sie auf die Welt kommen.“

Bild einer Mauer mit Graffity darauf, die teilweise durchgestrichen und mit Worten ergänzt wurde. Statt

Was ist eigentlich mit „Erziehen“ gemeint?

Nun gibt es immer wieder Menschen, die aber offenbar Sorge haben, dass die Welt, mindestens aber das Abendland unterginge, wenn wir unsere Söhne nicht mehr erziehen. Zumindest aber gibt es offenbar Klärungsbedarf, was mit „erziehen“ gemeint sein soll.

Eigentlich geht aus meinem obigen Text das ja schon relativ klar hervor, was ich damit meine. Nun schrieb mir aber ein Mensch in einem Kommentar:

„Lieber Eilert, es kommt darauf an, wie man „protect“ und „educate“ versteht.

Dieses Bild bezieht sich darauf, dass Töchter durch Verbote geschützt werden sollen. „Sei vor der Dunkelheit zu Hause“, „tu dies nicht und jenes nicht“ – während die Söhne NICHT dazu erzogen werden, Mädchen/Frauen zu respektieren. Deshalb nützen auch all diese Verbote nichts, die als Schutzmaßnahmen betrachtet werden.

Das Bild kann man so interpretieren: Erzieh deinen Sohn so, dass er mit Mädchen/Frauen/Menschen respektvoll und friedlich umgeht.

Oder anders ausgedrückt: In Fällen männlicher Gewalt gegen weibliche Menschen sollte der Anspruch auf Änderung an die Täter gerichtet werden.

(Im umgekehrten Fall natürlich genauso) 

Man kann deine Punkte insofern auch positiv formulieren::
Wir sollten unsere Söhne friedlich erziehen.
Wir sollten unseren Söhnen beizubringen, dass Indianer sehr wohl weinen.
Wir sollten ihnen beibringen, dass ihre Leistung nicht wichtiger ist als das, was sie fühlen.
Wir sollten ihnen beibringen, dass sie nicht immer stark sein müssen, um ein richtiger Mann zu sein, sondern auch schwach sein dürfen
Wir sollten ihnen beibringen, dass sie Menschen sind – mit allem Potential, das das beinhaltet.
Wir sollten ihnen beizubringen, dass Konflikte ohne Schläge gelöst werden können und sollten.
Wir sollten aufhören, ohne ihre ausdrückliche und volljährige Einwilligung ihre Genitalien zu verstümmeln und das als Kleinigkeit abzutun.
Wir sollten ihnen beibringen, dass sie genausoviel Empathie benötigen wie unsere Töchter.

Was meinst du zu dieser Interpretation? „

Vielen Dank für die Gelegenheit zur Reflektion. Ich möchte meine Antwort auch für diesen Blogbeitrag festhalten:

Ich bedanke mich für die Zusammenfassung, worauf sich dieses Bild bezieht. Denn ich sehe ein Problem darin. Es enthält nach meiner Wahrnehmung die Vorannahme, dass Männer Täter und Frauen Opfer von Gewalt werden, wenn Jungen nicht erzogen werden.

Vorab aber möchte ich eingehen auf den Satz
In Fällen männlicher Gewalt gegen weibliche Menschen sollte der Anspruch auf Änderung an die Täter gerichtet werden.“

Ich stimme dem zu, aber genau das passiert mit „protect your daughters – educate your sons“ eben NICHT. Denn damit wird der Anspruch auf Änderung nicht an die Täter, sondern an nachfolgende Generationen, an unschuldige Kinder weitergegeben.

Und das bereitet – ich kann es nicht anders sagen, einen Nährboden für fortgesetzte Gewalt.

Das Problem mit geschlechtsbezogenen Vorannahmen

Diese Vorannahme ist aus meiner Sicht jedoch selbst schon gewaltsam, weil sie Mädchen die Fähigkeit abspricht, sich selbst schützen zu können und Jungen unterstellt, übergriffig zu werden, wenn man ihnen keine Zügel anlegt.
Diese Vorannahme entsteht, soweit ich es erkenne, daraus, dass eben viel Gewalt von Männern an Frauen beobachtet wird. Aus dieser Beobachtung heraus jedoch den Schluss zu ziehen, dass Jungen, wenn sie nicht erzogen würden, natürlicherweise gewalttätig gegen Mädchen und Frauen würden, bleibt mir nicht nur zu sehr an der Oberfläche, sondern das halte ich im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeiung für einen Gewalt begünstigenden Faktor.

(Vor allem gerät dabei leider aus dem Blick, dass Gewalt dahin fließt, wo ein Machtgefälle besteht. Das Geschlecht allein ist keine hinreichende Kategorie dafür, ob ein Machtgefälle vorliegt. Zugleich besteht definitiv ein Machtgefälle dort, wo Erwachsene Kinder erziehen!)

Deswegen finde ich das Ansinnen, die Botschaft hinter „Protect your daugthers – educate, your sons“ positiv zu formulieren,
zwar gut gemeint, aber immer noch nicht gut gemacht.

Warum wir aufhören sollten, unsere Söhne zu erziehen

Aber lasst uns die Sätze einmal durchgehen:

Wir sollten unsere Söhne friedlich erziehen.“

Gerald Hüther erinnert in seinen Vorträgen immer wieder daran, dass Gärtner bei Spalierobstbäumen von „erziehen“ sprechen.
Das heißt, da wird unter gewaltsamer Einwirkung Wachstum in eine gewünschte Richtung gebunden, statt dass Bäume sich in ihrem Wachstum natürlich entfalten dürfen.
Das dient dem Gärtner, der dann eine bequeme Ernte hat, aber nicht dem Baum, der wachsen will.
In diesem Sinne gibt es eigentlich keine friedliche Erziehung. Ich glaube aber, wenn es uns gelingt, Jungen und Mädchen, also alle Kinder in ihrem Wachstum gut zu begleiten, dass sie weitaus friedlichere Menschen werden, als wenn wir ihr natürliches Wachstum zu lenken gedenken. Zugleich werden sie eine gesunde Wehrhaftigkeit enfalten können, weil sie von Anfang an lernen können, dass sie in Ordnung sind, wie sie sind.

Anhand der im oben zitierten Kommentar vorgeschlagenen Sätze wird mir deutlich, wie verdreht der Gedanke an „Erziehung zum erwünschten Verhalten hin“ sich für mich anfühlt:

Wir sollten unseren Söhnen beizubringen, dass Indianer sehr wohl weinen.“

Kinder weinen natürlicherweise von sich aus, wenn sie es brauchen, gesehen zu werden. Das müssen sie nicht beigebracht bekommen. Auch als männliche Kinder müssen sie das nicht beigebracht bekommen. Es reicht, dass sie weinen dürfen.

Wir sollten ihnen beibringen, dass ihre Leistung nicht wichtiger ist als das, was sie fühlen.“

Fühlen müssen wir ihnen auch nicht beibringen. Der Leistungsgedanke ist doch etwas, was erst durch uns Erwachsene in Kinder hineingebracht wird. Natürlicherweise folgen Kinder ihrer Freude – wenn man sie lässt …

Wir sollten ihnen beibringen, dass sie nicht immer stark sein müssen, um ein richtiger Mann zu sein, sondern auch schwach sein dürfen.

Auch hier: es reicht völlig, es ihnen zu erlauben, und das selbst vorzuleben. Dazu braucht es allerdings Väter, Brüder, Freunde die es sich zurückgeholt haben, auch schwach sein zu dürfen. Davon Profitieren übrigens auch unsere Töchter, weil sie erleben dürfen, dass sie nicht schwächer sind als Jungen.

Wir sollten ihnen beibringen, dass sie Menschen sind – mit allem Potential, das das beinhaltet.“

Für Kinder ist das ihr natürlicher Seinszustand. Wir sollten gerade in dieser Hinsicht im Gegenteil vielmehr von ihnen lernen. Sie sind gerade in diesem Bereich die besten Lehrmeisterinnen und Lehrmeister, die wir uns wünschen könnten!

Wir sollten ihnen beizubringen, dass Konflikte ohne Schläge gelöst werden können und sollten.“

Am allerbesten leben wir das vor. Und zwar nicht nur in Bezug auf körperliche Schläge, sondern auch in Bezug auf verbale Schläge. Das nur Jungen beizubringen, aber nicht Mädchen, halte ich allerdings für gewaltbegünstigend, weil das nach meinem Empfinden der oben genannten – an sich schon gewaltvollen – Vorannahme folgt.

Und ich habe ein Fragezeichen bei obigem letzten Satz:

Denn Kinder entwickeln, zumindest nach meiner Erfahrung, wenn sie in ihrer Entfaltung friedlich begleitet werden, ein gesundes Gefühl für die eigenen Grenzen und die eigene Wehrhaftigkeit. Das als Kind entwickeln zu können, ist wichtig. Ist dieses Gefühl entwickelt, können Kinder ihre Grenzen viel leichter kommunizieren, ehe es überhaupt zu Gewalt kommt.
Dieses Gefühl für die eigenen Grenzen und die eigene Wherhaftigkeit nicht entwickeln zu können, führt aus meiner Sicht tendenziell dazu, dass (aberzogene und deshalb nicht mehr gesunde) Wehrhaftigkeit viel häufiger in Gewalt umschlägt – gegen sich selbst, oder eben gegen andere. Gerade hier ist mir durch das Frauenbuch klar geworden, wie unfassbar viel Gewalt auch sich Frauen in unserer Kultur selbst antun müssen, einfach dadurch, dass ihnen eine natürliche Wehrhaftigkeit aberzogen wurde.

Wir sollten aufhören, ohne ihre ausdrückliche und volljährige Einwilligung ihre Genitalien zu verstümmeln und das als Kleinigkeit abzutun.“

Das hast Du ja wortwörtlich von mir übernommen. Ja. Und das gilt für alle Kinder. Mädchen sind zwar diesbezüglich durch die Menschenrechts-Charta geschützt, aber dieser Schutz steht auf sehr dünnem Eis, solange Jungen an dieser Stelle Menschenrechte verwehrt bleiben. Übrigens ist Genitalverstümmelung ein tragischer und massiver Nährboden für die Unterdrückung von Lebendigkeit und Gefühlen.

Wir sollten ihnen beibringen, dass sie genausoviel Empathie benötigen wie unsere Töchter.“

Müssen wir ihnen das beibringen? Wir müssen es doch einfach nur TUN: allen Kindern mit der gleichen Empathie begegnen.

Ich komme zu dem Fazit, dass ich erstens bei meinen Formulierungen bleiben möchte, und zweitens, sie Ergänzen möchte:

Wir sollten auch aufhören unsere Töchter zu erziehen!

Wir sollten aufhören, unseren Töchtern beizubringen, dass sie sich nicht wehren können.
Wir sollten aufhören, unseren Töchtern beizubringen, dass Lächeln ihre beste Option ist, sich zu schützen.
Wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, dass ihre Leistung wichtiger sei als das, was sie fühlen.
Wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, dass sie zart sein müssen, um eine richtige Frau zu sein.
Wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, dass sie ein Opfer seien, weil sie Mädchen/Frauen sind.
Wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, ihre eigene Sexualität geringzuschätzen.
Wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, dass sie Schläge von wem auch immer hinzunehmen haben. Das gilt für alle Kinder.
Wir sollten aufhören ihnen beizubringen, dass Jungen Schläge von Mädchen hinzunehmen haben.
Wir sollten aufhören, ohne ihre ausdrückliche und volljährige Einwilligung ihre Genitalien zu verstümmeln und das als Kleinigkeit abzutun.
Wir sollten aufhören, ihnen beizubringen, dass sie mehr Empathie benötigen als unsere Söhne.

Ich danke der Kommentatorin für den Impuls zur Reflektion und zum Weiterdenken.

Bild einer Mauer mit Graffity darauf, die mehrfach durchgestrichen und mit Worten ergänzt wurde. Statt

Dieser Artikel wurde erstmals von mir am 4. Oktober 2022 auf facebook veröffentlicht und am 13. Juni 2023 für diesen Blog redigiert.

2023-06-13T14:30:55+00:000 Kommentare

Dankbarkeit und Einsamkeit

Dankbarkeit und Einsamkeit

Dankbarkeit und Einsamkeit – Gedanken und Gefühle nicht nur zur Weihnachtszeit

Es gibt – inzwischen – vieles in meinem Leben, wofür ich dankbar bin. Dass ich ein Dach über dem Kopf habe, genug zu essen, dass ich die unfassbare Freiheit habe, auf die Art und Weise zu arbeiten, wie es mir entspricht und woran es mir entspricht, vor allem aber, dass es Menschen in meinem Leben gibt, die mich lieben und mich nehmen, wie ich bin. All das erfüllt mich mit Freude.
Manchmal aber verliere ich den Kontakt zu meinem Gefühl der Freude. Dann bricht sich in mir etwas Bahn, das tief in meinem Inneren lebt, dort, wo es dunkelschwarz ist, voller Schmerz und Endlosigkeit. Etwas, das immer mit dabei ist, und umso mehr sich Bahn bricht, je weniger ich es dabei haben will.

Einsamkeit.

Diese Einsamkeit hat nichts damit zu tun, ob ich gerade allein bin, oder viele Menschen um mich herum sind. Sie hat auch nichts damit zu tun, ob es Menschen in nah und fern gibt, die mir zugewandt sind oder mich sogar lieben. Ich vermute, dass einen Teil dieser Einsamkeit die frühkindliche Erfahrung des Verlassen-Seins ausmacht. Ich ahne, dass selbst ohne diese Erfahrung das Einsam-Sein zum Mensch-Sein dazu gehört. Und ich glaube, dass Einsamkeit etwas ist, das ich als Mensch nicht vollständig überwinden kann.
Wir können uns zwar miteinander verbinden, etwa darüber, dass wir Erfahrungen miteinander teilen. So wie ich es hier gerade tue, indem ich diesen Text schreibe. Wir können zum Beispiel die Erfahrung miteinander teilen, wie eine Ananas schmeckt. Und dennoch: selbst da bleibt etwas, was ich nicht teilen kann. So sehr ich mich bemühe, es dir zu beschreiben: Du wirst niemals erleben, wie MIR eine Ananas schmeckt. Mit dieser Erfahrung bleibe ich einsam. Ich könnte es auch so schreiben: „ein-sam“. So, wie Zwei-samkeit Momente beschreibt, die wir gemeinsam – nur zu zweit – miteinander erleben, nur uns beiden gehören, sind Momente der Ein-samkeit Momente, die nur mir allein gehören. Die auch kostbar sein können.

Aber kehren wir zurück

zu diesem Teil von Einsamkeit, der an die Erfahrung des Verlassen-Seins anknüpft. Denn ich weiß, dass es in meinem Leben Momente im Jahresverlauf gibt, die massiv dazu beitragen können, dass dieser Teil von Einsamkeit sich Bahn bricht, dorthin, wo es dunkelschwarz ist, voller Schmerz und Endlosigkeit. Weihnachten ist so ein Moment, wo das passieren kann. Ebenso regelmäßig wiederkehrende Rituale wie zum Beispiel das Feiern meines Geburtstags, usw. Kurz: Momente, in denen von mir erwartet wird, dass ich mich auf eine bestimmte Weise fühlen sollte. „Dankbar fühlen“, zum Beispiel, „fröhlich fühlen“, zum Beispiel.

„Lasst uns froh und munter sein!“

– manchmal passt es. Dann ist alles gut. Dann fühle ich mich dabei, verbunden mit Euch und in Gemeinschaft.
Manchmal aber bin ich nicht froh, nicht munter. Manchmal bin ich erschöpft, nachdenklich, still, bewegt, berührt. So wie in diesem Jahr, nachdem ich 16 Frauen interviewt habe und seit einem halben Jahr täglich an den Abschriften arbeite.
Und plötzlich stand Weihnachten vor der Tür.
Ich bin Familienvater. Ich bin in unserer Familie hauptsächlich derjenige, der kocht, nicht nur, aber eben auch zur Weihnachtszeit. Es war verabredet, was wir an welchem Tag essen wollen, und dass wir etwas gemeinsam machen. Spazieren gehen, Spiele spielen, all so etwas. Wie dankbar darf ich sein, Familie zu haben, das „Fest der Liebe“ nicht allein erleben zu müssen! Gerade zu Corona-Zeiten!

Und dennoch: Ich war dieses Jahr nicht froh und munter.

Und es ist zum großen Teil ein Druck, den ich mir selber gemacht habe, etwa, wenn mir liebe Menschen Weihnachtsgrüße schicken. Per WhatsApp, E-Mail oder sogar – ganz altmodisch, per Post. Dann ist der Gedanke da: „Du hast es vermasselt. Du hast keine Glückseligkeit verbreitet! Du hast es versäumt, frohe Weihnachten zu wünschen. Deinen Freunden nicht, Deinen Geschäftspartnern nicht.“ usw.
Das ist der Moment, wo ich mich selbst verlasse.
Denn jetzt, nachdem der „Spuk“ vorbei ist, und ich diesen Text schreibe, ist mir klar, dass auch ich selbst diesen Teil von Einsamkeit wachrufe. Diesen Teil, der an der Erfahrung des Verlassen-Seins anknüpft, dort, wo es dunkelschwarz ist, voller Schmerz und Endlosigkeit.
Ich rufe diesen Teil von Einsamkeit durch Verlassen-Sein in mir wach, solange ich der Vorstellung folge, dass Rituale auf eine bestimmte Art und Weise gefeiert werden müssten, und bestimmte Gefühle hervorrufen müssten. „Lasst uns froh und munter sein.“

Mir wird klar, dass ich selbst es bin,

der das Gefühl des Verlassen-Seins ins mir wachruft, wenn ich mich dazu auffordere, so zu fühlen, wie ich im Moment aber nicht fühle.Nein, das muss ich nicht! Ich muss nicht „froh und munter“ sein, wenn ich erschöpft, nachdenklich, still, bewegt, berührt bin. So wie in diesem Jahr.
Dann kann ich für mich Wege suchen und finden, Weihnachten auf meine Weise zu feiern. Dann darf ich Schmerzen, Trauer, Nachdenklichkeit spüren, darf einfach still dabei sein, und mir – in mir und für mich  – Raum geben, dass die Gefühle da sein dürfen. Das geht auch, ohne die Menschen um mich herum in Mitleiden-schaft zu ziehen. Indem ich zum Beispiel sage: „Ich bin gern mit Euch zusammen. Nur ist es in mir gerade nicht „froh und munter“, und ich würde mich freuen, wenn ich gerade einfach so sein darf, wie ich bin, während ich mit euch zusammen bin.“
Das für mich Spannende ist:

Dadurch bin ICH dann bei MIR.

Ich verlasse mich selbst nicht mehr, weil ich mich annehme mit dem, wie ich bin und mit dem, was ich gerade fühle.
So kann dieser Teil von Einsamkeit in mir, der an die Erfahrung von Verlassenheit anknüpft, endlich Frieden finden. Und ja: Jetzt klappt es auch mit der Dankbarkeit. Ich bin dankbar, dass ich mir erlauben kann, zu fühlen wie ich fühle, und die Verantwortung dafür bei mir halten kann. Dann habe ich mich bei mir.

Und ich bin dankbar, Menschen um mich herum zu haben, die mich so nehmen, wie ich bin. Sehr dankbar.
Danke, dass es Euch gibt!

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

2020-12-29T09:05:14+00:004 Kommentare

Jahresrückblick 2019

Jahresrückblick 2019
Drei Jahre ist es her,
seit ich dem Impuls gefolgt bin, und erstmals einen Jahresrückblick geschrieben habe. Damals war es die Initialzündung zum Projekt huMANNoid | Männer sind Menschen, das mich seither intensiv begleitet und für das ich natürlich auch da bin, ist es doch „mein Baby“ gewesen.
Seither stehe ich mit dem Projekt in der Öffentlichkeit, und auf der gleichnamigen facebook-Seite findet Ihr alles darüber, wie sich das Projekt entwickelt hat, so dass ich das hier nicht ein weiteres Mal ausbreiten will.


Andererseits bin ich so sehr mit dem Projekt und dem Buch verbunden, dass es natürlich auch in diesem Jahresrückblick eine zentrale Rolle spielen wird. Hier will ich aber den Fokus mehr darauf legen, was das Jahr, das Projekt und das Buch mit mir selbst, dem Mann und Menschen Eilert, gemacht hat.


 
Das Jahr 2019 war krass.
Es war intensiv und fordernd, es hat mir alles abverlangt und noch mehr gegeben. So richtig weiß ich noch nicht, was sich daraus entwickeln wird in den nächsten Jahren.

Sicher ist: Es hat mich verändert. Ich bin sicherer in mir geworden. Mit dem Projekt habe ich mich so sehr in meiner Ganzheitlichkeit gezeigt wie nie zuvor, habe mich „nahbar“ gemacht, wie es eine Freundin ausdrückte, so dass es zur Zeit wenig im Außen gibt, was mich nachhaltig aus meiner Mitte bringt. Ich bin dankbar dafür.

Zugleich hat es mich sensibler gemacht, fast hätte ich verletzlicher geschrieben, aber das trifft es nicht. Eher ist es so, dass ich alte Verletzungen deutlicher spüre, von denen ich zum Teil weiß, dass es Themen in meiner Biografie sind, die ich vielleicht noch bearbeiten darf.
So ist mir im November noch einmal deutlicher bewusst geworden, wie viel Schmerz in mir ist aus der Kindergartenzeit und der Schulzeit, die teilweise von Mobbing und Ausgegrenztsein geprägt war.

 
Das ist die Ebene, die ich bearbeiten kann, auf der ich zuversichtlich und ohne große Angst bin. 
Ich habe in meinem Leben gelernt, Verletzungen anzusehen, zu integrieren und zu transformieren.
 Und das gelingt mir auch allein schon mit dem Projekt selbst: Hier gehe ich mit Menschen in Kontakt, zeige mich, spreche vor Menschen, die mir zuhören (oh, wow!) und bin in diesen Momenten da, voll und ganz präsent.
Sich verletzlich zeigen zu können, das, was früher einmal Gefahr und fast so etwas wie ein „soziales Todesurteil“ war, ist heute – wo ich in der Lage bin, gut für mich und diese verletzten inneren Anteile zu sorgen – ein großes Potential geworden.

Während meiner therapeutischen Ausbildungen sagte ein Mit-Lernender zu mir: „Eilert, Du bist Dir Deiner Macht nicht bewusst.“ Ich wusste das damals noch nicht zu greifen, was er mir damit sagen wollte. Erst allmählich begreife ich. Danke, für diesen wichtigen HInweis!



Es gibt aber noch eine weitere Ebene, die tiefer geht als meine Biografie, mein 51jähriges Leben.
 Eine Ebene, die so viel größer ist als ich, zu groß, um sie wirklich ganz zu überblicken.
 Eine Ebene, angesichts welcher ich manchmal Ohnmacht und Verzweiflung spüre.

Es gibt die Ebene kollektiver Verletzung von Geschlechtlichkeit und Sexualität, die wohl Zeit meines bisherigen Lebens innere Triebfeder ist, mich mit Geschlecht, mit Sexualität und all den Debatten darüber auseinanderzusetzen.
Seit sechs Jahren verfolge ich dabei Gedankenstränge anderer Menschen, die sich zum Thema äußern, aber auch meine eigenen. Ich spüre: Ich sitze da auf etwas, was ich intuitiv zu verstehen beginne, und was raus will, was in Worte und Bilder gebracht werden will. Und ich habe Angst davor! Ich probiere mich damit noch aus in wenigen Vier-Augen-Gesprächen. Ich spüre den Impuls, einen Text dazu zu schreiben. Aber nicht hier und jetzt.
 Der Jahresrückblick ist eh schon so lang.
 
In meinen Lesungen
lese ich immer auch die Zeilen:
„Ich habe genug vom Geschlechterkrieg. 
Mit dem Buch, das ich Euch heute vorstelle, will ich aus dieser Debatte aussteigen.
Vielmehr geht es mir darum, eine ganzheitlichere Sicht auf männliche Menschen zu ermöglichen. Eine Sicht, die nichts verschweigt und nichts beschönigt. Kein Ringen um Rollen und Klischees. Keine neuen Ideale. Ich bin überzeugt davon:
Wir müssen Reifrock und Ritterrüstung ablegen.
 Wenn wir einander wirklich sehen und berühren wollen, müssen wir uns zeigen. Jenseits aller Rollen. Und ich glaube, so wird es auch möglich, einander zu verstehen.“


In diesem Jahr 2019, in dem das Buch erschien, bin ich tatsächlich zunehmend aus der Debatte ausgestiegen.
Das Buch huMANNoid | Männer sind Menschen erschien Ende März, und es gab erstmal viel Freude und Wirbel um das Buch. Viel Anerkennung für meine „Arbeit“, erste Rezensionen erschienen von wunderbaren Menschen, mit denen ich über meine Arbeit schon seit Jahren verbunden bin. Eine gute Freundin meinte: Das Buch wird einschlagen wie eine Bombe! Es gab allererste Lesungen: Die Buchpremiere am 13. April bei uns in der Praxis, dann zwei geschlossene Lesungen auf dem Bundesweiten Männertreffen und dem Barcamp Sex. Eine erste – und bisher die einzige, aber dafür umso wundervollere Buchbesprechung in den „richtigen öffentlichen Medien“ von Mithu Sanyal im Radio (WDR).

(So sehr danke dafür, liebe Mithu!!!)
 
Und danach, ab Anfang Juli, kam erstmal …
nichts …


Funkstille.
Keine Reaktionen, keine Buchbestellungen, nichts.
Journalist*innen und andere Menschen, die angebotene Rezensionsexemplare gern angenommen hatten, antworten auf meine Nachfragen nicht mehr, Menschen, die Lesungen organisieren wollten, meldeten sich zunächst mal nicht mehr zurück. Das tat ganz schön weh, wenn ich ehrlich bin.

Ignoriert zu werden ist immer noch eine krasse Erfahrung für mich.
 
Ich dachte trotzdem erst einmal: okay, ist vielleicht ganz gut. Zeit, das alles zu verarbeiten, und Pläne für die zweite Jahreshälfte zu machen. Alles los zulassen. 
Urlaub in Schottland, mit Judika und unseren fast erwachsenen Kindern waren wundervolle zwei Wochen, um sich daran zu erinnern, dass es neben meiner „Arbeit“, und sei sie noch so wichtig, auch noch ein Leben gibt. Einfach sein, eintach atmen.

 
Mitte Juli kam ich aus dem Urlaub zurück …
und fiel in ein Loch.
 

Ich war müde, so müde. Ab und zu las ich Artikel oder Posts meiner Facebook-Freundinnen und Freunde, Artikel zur Geschlechterdebatte, Femizide, Männergewalt, immer und immer wieder über toxische Männlichkeit, alte weiße Männer und dachte:
Nein! Ich will nicht mehr! Ich kann nicht mehr. 

Fühlte Endlosigkeit, Hilflosigkeit und Ohnmacht. Fragte mich: Wozu habe ich dieses verfickte Buch eigentlich gemacht. Es wird Zeit, dass wir diese Debatte endlich überwinden! Ich will raus aus dieser Hölle. Zwischendurch habe ich gedacht:
„Wenn ich morgen nicht mehr aufwache, wäre ich froh.“
 
Einer Freundin schrieb ich neulich über diese Phase:
„Also ich habe tatsächlich das Gefühl, mir sitzt da eine kollektive Geschlechtertraumatisierung in den Körperzellen. Ich reagiere manchmal so stark körperlich beim bloßen Lesen mancher Artikel. Du kennst vermutlich die Klagen „alter weißer Männer“ darüber, dass sie sich einer Hexenjagd ausgesetzt fühlen. Ich weiß nicht, ob diese Männer das wirklich so empfinden, oder ob das als Abwehr von Veränderung nur so daher gesagt wird. Aber ich kenne das Gefühl körperlich. Manchmal bekomme ich beim Lesen von Artikeln, die die Geschlechterrollen so unausweichlich festnageln HerzrhythmusStörungen, einen Klumpen im Bauch, der um sich frisst. Es fühlt sich dann nach unterschwelliger Panik an.“
(Es gibt einen Teil in mir, der auf kollektiver Ebene zu verstehen beginnt, warum die Suizidrate von Männern so hoch liegt.)

Und dann habe an mir selbst gezweifelt:
Ist das alles nur meins? 
Stimmte meine Motivation nicht? Bin ich einmal mehr meiner Sucht nach Anerkennung aufgesessen? Bereits zehn Jahre zuvor hatte ich nach 30 Jahren Musizierens das Musikmachen aufgegeben, als ich erkannt hatte, dass es mir nicht um die Musik selbst ging, sondern um die verfickte Anerkennung! Die bekam ich für meine Musik sogar, aber die Anerkennung kam damals nicht in meinem Herzen an. War es diesmal wieder so?
 
Mit der Zeit und mit vielen Gesprächen mit engen Freunden (danke, dass es Euch in meinem Leben gibt !!!) kam ich im Laufe des August/September aus diesem Loch wieder raus, und wusste zweierlei:

Erstens: Ich habe das Buch auf jeden Fall um seiner selbst Willen und für mich gemacht. Ich bin daran gewachsen, habe mich entwickelt, und bin mit anderen Menschen in Begegnung gegangen wie vielleicht noch nie zuvor. 
Zweitens: Anerkennung haben zu wollen ist voll okay! Es steckt nicht nur wahnsinnig viel Zeit und Geld in meiner Arbeit, sondern ich will und darf damit auch gesehen werden. Vor allem von mir selbst! Gesehen werden ist überhaupt das elementarste Grundbedürfnis eines jeden Menschen! 

Aber ich darf „mein Baby“, das ich in die Welt gebracht habe, auch loslassen, es „Kind“ werden lassen, auch mal ein paar Schritte allein gehen lassen.
 

Seither bin ich aus dem Loch raus.
Und es kam auch alles wieder in Bewegung, kamen die Menschen wieder auf mich zu, die mich einladen wollten, bei sich zu lesen, und innerhalb einer Woche waren alle fünf Lesungen im November klargemacht.

„Dein Buch sollte eigentlich durch die Decke gehen.
Das ist so wichtig. Und so berührend.“ schrieb mir vor ein paar Tagen eine Freundin.
Nun, es geht bisher nicht durch die Decke Es schlägt auch nicht ein wie eine Bombe.
Daran änderte bislang auch nichts, dass ich noch einmal Geld investiert habe für einen professionellen PR-Menschen, der hunderte von Pressevertretern für das Buch angeschrieben hat. Die Reaktion in der breiten Öffentlichkeit ist bisher praktisch gleich null.

 
Aber da, wo Menschen mit meiner Arbeit, wie es viele nennen, in Berührung kommen, bewegt es die Menschen. Und dafür hat es sich gelohnt. Aber sowas von!
Gerade erst in den letzten Tagen schrieb mir der Veranstalter einer der huMANNoid-Lesungen: „Eines der Highlights in 2019 war dein Buch und die Lesung mit dir bei mir!!! Die Beziehungen zu Menschen, welche auf der Lesung waren, haben sich intensiviert. … Es war richtig und wichtig, dich hier zu haben!“

Eine Freundin schreibt mir: „Insbesondere wollte ich dir erzählen, wie sehr mir die Männer in deinem Buch über eine schwere Zeit hinweggeholfen haben. Ich konnte mich in jedem von Ihnen wiedererkennen, habe mit ihnen gelacht und geweint. Es ist wie eine Reise zu einem selbst! All die Perspektiven, die in uns allen schlummern, doch nicht rauskommen, erst wenn sie getriggert werden! Vielen Dank für dieses wundervolle Geschenk!“


 
Ich bin so dankbar für alles, was mir mein Leben und meine Arbeit in diesem Jahr geschenkt hat.
 An dieser Stelle merke ich, wie schwer es mir fällt, „Arbeit“ und Leben voneinander zu trennen. 
Aber ich bin dankbar zu spüren und zu erkennen, dass das alles, mein Leben, meine Arbeit einen Sinn ergibt.
Das von meiner 2015 verstorbenen Mutter geerbte Geld hat mich die letzten Jahre sehr unterstützt, aber das wird es nicht in alle Zukunft. Danke, dass Du mich genährt hast, Mutti!
 Du bist zwar meinen Fragen ausgewichen, aber Du hast mich nicht infrage gestellt, sondern an mich, Dein Kind, geglaubt. Danke, dass Du mich auch in Zeiten versorgt hast, in denen ich Dich durchaus infrage gestellt habe. Heute beginne ich, zu verstehen.


Was das neue Jahr bringt?
Ich weiß es nicht. Aber ich bin zuversichtlich.
Mein „Kind“ wird weiterlaufen, eigene Schritte machen, und ich sehe meine Aufgabe darin, da zu sein, wenn es mich braucht. Aber ich werde nicht mehr jeden Atemzug überwachen müssen. Im Januar gibt es nochmal drei Lesungen in Wuppertal, Bonn und Köln, dann noch eine Lesung im Oktober in Nürnberg. Alles weitere wird sich finden.

Ich wünsche mir, dass meine Arbeit mich künftig mit genügend Geld versorgt, damit ich sie fortführen kann.


 
Ideen habe ich eine ganze Menge – die nächsten Jahre werden mir mit Sicherheit nicht langweilig.

Gemeinsam mit Judika und Amrita Torosa wird es am 20.3. – zum Weltglückstag in unserer Praxis Beziehungsperspektive einen Workshop zum Geschlechterglück geben. Ich bin gespannt, was wir da aushecken werden.

Judika und ich tragen uns mit dem Gedanken, unsere Erfahrung und unser Wissen aus 30 Jahren Beziehung und fünf Jahren Paartherapeutischen Arbeitens in Buchform zu bringen.

Ein guter Freund möchte mit mir ein Buch zum Thema „Gewalt“ schreiben.

 
Aber was mich selbst eigentlich seit Beginn des Projektes huMANNoid | Männer sind Menschen begleitet: Ich will das Projekt auch noch einmal mit Frauen machen.
 Eine Freundin schrieb mir dazu neulich: „Ich wäre vorsichtig, das Buch als Mann mit Frauen zu machen.“

Mein Gedanke dazu: Ich habe huMANNoid als Mensch mit Männern gemacht. Männer sind Menschen. Frauen sind Menschen. Und als Mensch dieses Buch auch mit Frauen zu machen, würde es für mich erst rund machen. Denke ich da zu naiv? 


 
Wir werden sehen, was uns das neue Jahr 2020, das neue Jahrzehnt bringt.

Ich wünsche Euch und uns allen ein gutes und bewegend berührendes Jahr 2020.
Machen wir etwas Gutes daraus!


 
Jahresrückblick

Eilert Bartels

2020-01-05T20:40:40+00:000 Kommentare

Männer haben Macht

MÄNNER HABEN MACHT.

Wie hört sich dieser Satz für Euch an?
Macht er Euch Angst? Klingt er wie ein Vorwurf?
Oder ist er Möglichkeit und Potenz – ial?

Männer haben die Macht, die Welt zu verändern.

Ich habe diesen Satz schon länger in mir.
Und ich habe lange gezögert, ihn in die Welt zu bringen.
Dieser Satz hat Mut gebraucht.

Ich erinnere mich an ein Gespräch mit einer inzwischen sehr guten Freundin, letztes Jahr, als Svenja Flaßpöhlers „Die potente Frau“ herauskam und diskutiert wurde. Sie sagte damals sinngemaß: „Eine potente Frau löst bei Männern möglicherweise große Ängste aus.“
Ich sagte darauf: „Ich glaube, ein potenter Mann wäre auch für viele Frauen eine echte Herausforderung.“
Die gedankliche Möglichkeit eines „potenten Mannes“ überraschte sie damals geradezu. Inzwischen hat sich eine tiefe Ebene der Verständigung zwischen uns entwickelt. Und ich glaube, unsere Sichten auf die Welt haben sich durch unsere Begegnungen verändert.

Oft hören wir, dass Männer Macht abgeben müssen,

damit sich die Welt verändern kann.
Ich glaube, Männer haben die Macht, die Welt zu verändern.
Und es ist uns Männern noch kaum bewusst, WIE machtvoll wir die Welt verändern können.
Und diese Macht brauchen wir gar nicht abzugeben.
Im Gegenteil: würden wir diese Macht ergreifen – ich glaube, die Welt wäre in einer Geschwindigkeit, dass wir uns die Augen reiben würden, eine friedlichere.

Ich habe diese Macht in verschiedenen Situationen schon erfahren dürfen. Etwas davon auf der MANN SEIN 2019 im Beisammensein mit 400 Männern. Da vor allem in den Pausen zwischen den Speakern, dort, wo Männer sich begegnet und berührt haben.
Und sehr viel davon auf dem 4 Tage währenden Bundesweiten Männertreffen, wo so viel Zeit und Raum für zwischenmenschliche Begegnung war, und die Hierarchien bewußt so flach gestaltet waren, dass 200 Männer (z.T. mit ihren Kindern) einander von Mensch zu Mensch auf Augenhöhe begegnen und einander berühren konnten.
Im Zwiegespräch, aber auch in der großen Runde mit 200 Menschen.

Männer haben die Macht, die Welt zu verändern.

Wir haben die Macht, zu berühren.
Wir haben die Macht, uns berühren zu lassen.
Wir haben die Macht, unsere Empathie miteinander wieder aufzuwecken und fließen zu lassen.
Wir haben die Macht, Menschen – unabhängig vom Geschlecht, egal ob Mann, Frau oder ein anderes – im Herzen zu berühren.
Wir haben die Macht, Verständigung und schließlich Frieden in die Welt zu bringen.

Und ich erlebe, jetzt wo es in der Welt ist, und seine Wirksamkeit zu entfalten beginnt, wie das Buch Humannoid – Männer sind Menschen mit dieser Macht durchwirkt ist.
Ich erlebe, wie herausfordernd das ist. Ich erlebe manchmal, wie einige Menschen (Männer wie Frauen) vor dieser Macht zurückschrecken, erst einmal in Widerstand gehen mit den Männern im Buch. Mit ihren Bildern und ihren Geschichten. Und ich verstehe das. Ein potenter Mann ist herausfordernd. Ja. Es ist so ungewohnt, dass Männer sich in das Potenzial dieser Macht entfalten.

Noch mehr aber erlebe ich, wie Menschen sich dadurch verändern, zu erleben, dass Männer sich öffnen. Wie sie weicher werden. Wie sie bereiter werden, sich einzulassen, sich zu begegnen und zu verstehen.

Was ich hier beschreibe, von der Wirksamkeit und Macht, von der das Buch durchwirkt ist, von dieser Wirksamkeit, von dieser Macht, davon zeugt für mich auch dieses Video.
„Da brechen alle Dämme.“

Männer, mir macht das Mut.
Entfalten wir unsere friedvolle Macht.
Die Macht, uns berühren zu lassen und zu berühren.
Lasst uns die Welt verändern.

2019-06-21T22:01:03+00:000 Kommentare

Aus der Opferrolle in die Eigenverantwortung

Aus der Opferrolle in die Eigenverantwortung

Offener Brief an Arne Hoffmann als Antwort auf seine Rezension meines Buchs
huMANNoid | Männer sind Menschen

Lieber Arne Hoffmann,

seit ich Texte veröffentliche und Bücher schreibe, mache ich einige schöne, aber auch spannende Erfahrungen. Und ich lerne eine Menge.
Darüber, wie meine Texte rezipiert werden, aber auch über mich selbst und wie ich damit umgehe, was Menschen aus meinen Texten herauslesen.
Zu den schönen Erfahrungen gehört natürlich der Zuspruch, wenn Menschen von diesen Texten berührt sind, und sie darin vielleicht sogar neue Handlungsspielräume für sich selbst entdecken können. Denn dafür schreibe ich.
Zu den spannenden und für mich lehrreichen Erfahrungen gehört, dass jeder Mensch für sich das herausliest, was der eigenen Erlebenswelt entspricht und deshalb für ihn oder sie besonders wichtig ist. Oft finden Menschen in meinen Texten Aspekte, die mir selbst gar nicht so bewusst waren, und ich freue mich, wenn wir gemeinsam gegenseitig unsere Perspektiven erweitern können.

Gelegentlich aber stelle ich aber auch fest, dass sich Menschen gezielt ganz bestimmte Aspekte herauspicken, um ihre Sicht auf die Welt zu untermauern. Manchmal scheint es mir dann, dass der Blick enger wird und Handlungsspielraum verloren geht.
Ich habe gelernt und lernen müssen, dann stehen zu lassen, was nicht bewegt werden will.

Im Dilemma befinde ich mich jedoch,

wenn ich Zuspruch von Menschen zu meinen Texten erfahre, die doch eigentlich Veränderung bewirken wollen und sich dafür dann aber Aspekte herauspicken, die den Blick wieder eng machen. Dann wird es mir wichtig, Dinge nicht so stehen zu lassen, sondern den Austausch zu suchen, damit wir etwas bewegen können.
Aus diesem Dilemma heraus möchte ich nun in einem offenen Brief auf Deine Buchrezension zu meinem Buch huMANNoid | Männer sind Menschen antworten.

Zu Beginn Deiner Rezension schreibst Du vom Zeitalter „kontinuierlichen Männerbashings“, welches  als „kühne These“ nun den Titel „Männer sind Menschen“ für mein Buch hervorgebracht habe. „Dass das nötig war, zeigen einige Reaktionen, die Bartels auf die Behauptung ‚Männer sind Menschen‘ erhalten hatte und zu denen sarkastischen Lachen und Erwiderungen wie ‚Schön wär´s gehörten.‘, schreibst Du.
Nun war jedoch die Bandbreite der Reaktionen erheblich breiter, als Du es darstellst, und ich habe das in der Einleitung zum Buch auch beschrieben, und es wäre sehr schade, die Reaktionen der Wertschätzung von und gegenüber Männern, die sich in ihrem Menschsein zeigen, hier nicht zu erwähnen: „„Endlich fühle ich mich gesehen“ und „Wie schön, wenn ihr euch zeigt“.

Ohne die volle Bandbreite jedoch wird der Blick eng und es bleibt dem verkannten Mann nur die Rolle als Opfer. Das aber ist nicht mein Anliegen. Im Gegenteil. So schreibe ich im Vorwort:

„ Dieses Buch will weder neue Bilder von Männlichkeit vermitteln, noch will es alte Ideale von Männlichkeit rechtfertigen. Es will nicht einmal danach fragen, was denn Männlichkeit eigentlich ist. Vielmehr steigt es aus einer Geschlechterdebatte aus, die uns als Gesellschaft nun schon mindestens ebenso lange begleitet, wie ich Lebensjahre zähle. Tatsächlich hat es in meinem Leben auch so lange gebraucht, mich und andere Menschen aus all diesen Rollenzuschreibungen zu entlassen. Und das erlebe ich als ebenso verbindend wie befreiend. Jede Begegnung mit einem anderen Menschen wird so auch zu einer Begegnung mit mir selbst.

Mit diesem Buch möchte ich deshalb aus ganzem Herzen an das Einfachste erinnern:
Männer sind Menschen
Frauen sind Menschen
Wir sind Menschen

Wenn wir uns daran wieder erinnern können, dann wird es ganz einfach. Dann wird es leicht, uns in unseren Unterschieden und in unseren Gemeinsamkeiten wertzuschätzen. Wir können uns wieder begegnen. Von Mensch zu Mensch.“

und im Prolog:

„Ich träume von einem Buch, das Männer zeigt und Männer interviewt: Nackt, ungeschminkt und ohne den körperkorrigierenden Einsatz von Photoshop – Männer in ihrer Würde, und in ihrer Verletzlichkeit und in der Stärke, die sich genau daraus ergibt, sich so zu zeigen, wie sie nun einmal sind: Menschen!“

Opfererleben ist ganz sicherlich Teil des Menschseins.

Das Reduzieren auf die Opferrolle hingegen verdeckt weite Teile der menschlichen Ganzheit und nimmt Menschen ihre Würde.
Worum es mir mit dem Buch eigentlich geht, hast Du doch durchaus erfasst und es immerhin am Rande erwähnt:

„Die Strategien, die Eilert Bartels wählt, um dieses Schweigen zu brechen, sind Sich-nackt-machen und Sich-Verletztlich-zeigen. Dazu tritt der Ansatz, einen Menschen „ganzheitlich“ zu präsentieren statt beispielsweise reduziert auf die Rolle des Gewalttäters, Machthabers oder Opfers.“

Das Einnehmen einer Opferrolle in Kombination mit geschickt platziertem Täter*innenvorwurf in Richtung Gegenseite mag eine (mitunter) mächtige Waffe im Geschlechterkrieg sein, und die Kontrahenten lernen stetig voneinander, diese Waffe geschickt einzusetzen. Ich beobachte diese Strategien in Teilen des Feminismus, aber auch in Teilen der Männerrechtsbewegung seit Jahrzehnten. Am Ende nimmt das allen Beteiligten Ihre Würde und vertieft die Gräben.
Das ist der Grund, warum ich mich vor Jahren vom Feminismus abgewendet habe und mich nun auch einer Männerrechtsbewegung nicht anschließen mag.

Ich sehe, wie auch Du, lieber Arne, Deine Lektionen in diesem Geschlechterkrieg gelernt hast, vielleicht das Denken und Agieren in „Strategien“ auch einfach gewohnt bist.
Von daher verstehe ich, dass Du aus meinem Artikel über Gewalt gegen Männer meine Zeilen über das Schweigen und Verstummen der Männer zitierst:

„Wie bereits in den 1970ern, 1980ern, erlebe ich heute erneut wieder das bekannte Bild: In Gesellschaft und Medien heißt es: Männer sind Täter, Frauen sind Opfer. Männer müssen bestraft werden, Frauen müssen geschützt werden. (…) Äußert sich ein Mann zu selbsterlebter sexueller Gewalt, wird ihm oft nicht geglaubt, er wird verlacht, oder sein Erleben für statistisch unbedeutend erklärt. So, als sei sein Erleben geschlechtsbedingt weniger wert als das anderer Menschen. Viele Männer, die ich kenne, sind deswegen schlicht verstummt. Auch, weil sie meist nicht einmal auf Rückhalt von anderen Männern hoffen dürfen. Dieses Schweigen halte ich für gefährlich.“

Ich verstehe, dass es offenbar Teil der Strategie ist, andere für dieses Schweigen verantwortlich zu machen.

Und teilweise magst Du recht haben: Ja, es gibt Versuche, Schweigetabus zu bestärken.
Aber machen wir uns nichts vor: Es gibt diese Versuche auf allen Seiten. Jedoch nicht von allen Beteiligten! Es gibt auf allen Seiten auch Menschen, die zuhören wollen, auch, wenn es unbequem wird. Es gibt auf allen Seiten Menschen, die Räume für Begegnung und gegenseitiges Verstehen schaffen wollen.

Du sprichst – mit Erwähnung eines FAS-Artikels über Dich – die Strategie der Diffamierung des Gegners an und verlinkst auf einen Text von Lucas Schoppe, der daran – durchaus berechtigt – Kritik übt. Schoppe schreibt darin:

„Statt diese Position [Arne Hoffmanns „Plädoyer für eine linke Männerpolitik] wenigstens zu skizzieren, reproduziert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ein gängiges Klischee: Männerrechtler würden einfach nur spiegelbildlich wiederholen, was Feministinnen vorgemacht hätten, und sich in eine „Opferideologie“ (so eine Schrift der grünen Heinrich-Böll-Stiftung) einspinnen.“

Tatsächlich ist es aber genau das, was auch Du in der Besprechung meines Buches machst, indem Du  eine fiktive Diffamierung überhaupt erst ins Feld holst:

„Dieselbe Demagogie könnte man natürlich auch gegen Eilert Bartels anwenden, wenn er den Hintergrund seiner Aggression erklärt. Ja, selbst aus dieser Buchvorstellung hier könnte man einen neuen Skandal stricken: „Hoffmann gibt gewaltvollem Mann ein Podium“. Alles scheint Recht, nur damit Männer, auch und insbesondere männliche Opfer sexueller Gewalt, weiter brav ihren Mund halten.“

Ich bezweifle nicht, dass es diese Strategien des „Einspinnens in Opferideologien“ gibt. Und ich wiederhole mich, wenn ich schreibe:
Aber es gibt sie auf allen Seiten. Und nicht selten bleiben sie unglaubwürdig:
Ausgerechnet für diesen Artikel von mir über Gewalt gegen Männer, den Du für Deine Argumentation heranziehst, hat mir eine Feministin, Theresa Lachner, Raum gegeben, uns zwar auf ihrem Blog „Lvstprinzip“. Damit das Thema Gehör findet. Dort hast Du ihn ja auch gefunden.

Erneut wiederhole ich mich: Es gibt auf allen Seiten auch Menschen, die Zuhören wollen, auch, wenn es unbequem wird. Es gibt auf allen Seiten Menschen, die Räume für Begegnung und gegenseitiges Verstehen schaffen wollen.
Machen wir es Ihnen und uns selbst nicht schwerer als es ist, indem wir uns hinter Opferrollen verschanzen!

Es liegt in unserer eigenen Verantwortung, diese Räume verantwortungsvoll zu erschaffen und zu nutzen.

So habe ich nicht lediglich die Absicht verfolgt, „den Hintergrund“ meiner Aggression zu erklären“ oder gar zu entschuldigen, sondern möchte vielmehr dazu aufrufen, Verantwortung für das eigene Aggressionspotential zu übernehmen.
Das Schweigen über die selbst erlebte Gewalt ist viel zu oft der Nährboden, der wiederum Gewalt hervorbringt. Viele Menschen aller Geschlechter verdrängen so auch das eigene Aggressionspotential allzu leicht. Und, wie Du mich zitiert hast: „Dieses Schweigen halte ich für gefährlich.“ Ich erläutere das in meinem von Dir zitierten Artikel über Gewalt gegen Männer wie folgt weiter:

„Unabhängig vom Geschlecht: Wer Gewalt erlebt hat, wer diese desktruktive Energie in sich aufnehmen musste, wird sie irgendwie ableiten. Und solange erlebte Gewalt nicht in ein konstruktives Spektrum transformiert ist, wird sie destruktiv abgeleitet. In Form von körperlicher, seelischer oder sexueller Gewalt, gegen andere Personen, gegen Dinge oder gegen sich selbst.
Ich setze mich gerne und aktiv dafür ein, dass sexuelle, körperliche, seelische und strukturelle Gewalt zurückgehen können.
Aber dafür brauchen wir das ganze Bild, und das Bewusstsein, dass jeder Mensch, unabhängig vom Geschlecht, Würde, Schutz und Respekt verdient.
Dafür brauchen wir das Bewusstsein, dass kaum ein Mensch ausschließlich Opfer ist, und kein Mensch ausschließlich Täter, sondern mit höchster Wahrscheinlichkeit beides ist.“

Zur Würde menschlicher Ganzheitlichkeit gehört es für mich, sich mit all diesen Aspekten nicht zu verstecken.

Zur Würde menschlicher Ganzheitlichkeit gehört es für mich, sich nicht hinter der Opferrolle zu verschanzen. Diesem Anspruch habe ich versucht, im Buch huMANNoid | Männer sind Menschen gerecht zu werden. In der Einleitung heißt es dazu:

„Zur menschlichen Ganzheitlichkeit gehören auch Anteile, die wir lieber verbergen. Es ist nicht immer leicht, sich in seiner eigenen Verletzlichkeit zu zeigen. Oft scheint es uns nö- tig, unsere Wunden vor einem erneuten Angriff zu schützen. Noch weitaus heikler wird es, sich mit dem eigenen verletzenden Potential zu offenbaren. Wenn es aber darum geht, Männer in ihrer Ganzheitlichkeit sichtbar und spürbar zu machen, dürfen wir das Thema ‚Gewalt‘ nicht ausklammern. Auch wenn sich die Männer im Gespräch verschiedentlich be- reits mit erlebter und ausgeübter Gewalt gezeigt hatten, war es mir wichtig, noch einmal explizit danach zu fragen. Dass die Männer sich diesen Fragen mit großer Bereitwilligkeit gestellt, in sich hineingehorcht und sich in aller – ihnen im Rahmen unserer Interviews möglichen – Offenheit und Ehrlichkeit gezeigt haben, erfüllt mich mit allerhöchster Wert- schätzung und Dankbarkeit. Vieles wird erst dann handhabbar und kann verarbeitet und bewältigt werden, wenn es ausgesprochen werden durfte.“

Es ist mir wichtig, dass die Bereitschaft dieser Männer, sich so ganzheitlich zu zeigen, gewürdigt wird. Und ich bin sicher, dass sie das wird.  Ich bin mir sicher, dass Selbstverantwortlichkeit für unsere menschliche Würde uns dazu befähigt, unser Schweigen zu brechen.

So, wie es die Männer in huMANNoid | Männer sind Menschen tun.

Ich bin sicher, dass – ganz unabhängig vom Geschlecht – auch diese Stimmen dann endlich das Gehör erhalten, das sie verdient haben. Und dass diese Stimmen uns allen – uns Menschen aller Geschlechter – Mut machen können, uns nicht mehr zu verstecken.
Und dann wird es möglich, dass unser Blick sich weitet, anstatt enger zu werden.

Ich weiß, dass es Dir, lieber Arne Hoffmann, ein Anliegen ist, Veränderung zu bewirken,

und den Blick weiter werden zu lassen.
So, wie es Dir in deiner Buchbesprechung hinsichtlich männlicher Sexualität gelungen ist, wenn Du zusammenfasst:

„Bartels Buch stellt klar, dass die Wirklichkeit komplexer ist und man dem Geschlechterthema nicht gerecht wird, wenn man es so schlicht präsentiert, wie es viele Meinungsführer tun.“

So, wie Du selbst es mit Deinem großartigen Sammelband „Gleichberechtigung beginnt zu zweit“, der in den nächsten Tagen erscheint, in die Welt bringst.
Ich freue mich sehr auf und über Dein Buch, für das Menschen aus allen Lagern der Geschlechterdebatte Artikel geschrieben haben!
Lasst uns die Gräben überwinden und nach vorne schauen!
Lasst uns endlich aufhören, weiter zu spalten und stattdessen eigenverantwortlich Räume des Verstehens und der Verständigung kreieren.

Dafür habe ich das Buch „huMANNoid | Männer sind Menschen“ herausgebracht,
und Du Deinen Sammelband „Gleichberechtigung beginnt zu zweit“, denke ich.
Dafür arbeitet eine wachsende Zahl Menschen, die von all diesen Geschlechterdebatten allmählich genug haben.
Hoffentlich folgen noch viele weitere Impulse von verschiedensten Menschen aller Geschlechter. Denn am Ende gilt für mich

Männer sind Menschen.
Frauen sind Menschen.
Wir sind Menschen.

Sehr herzlich grüßt Dich

Eilert Bartels

2019-05-14T20:16:24+00:000 Kommentare

Gedanken zum Edeka Werbespot

Gedanken zum Edeka – Werbespot

Zum Muttertag hat vor ein paar Tagen die große Supermarktkette Edeka einen Werbespot herausgebracht, über den das Internet heiß diskutiert und der die Gemüter – nicht ganz zu unrecht – aufbringt.
Dieser Spot zeigt eine Reihe Väter, die im Zusammensein mit ihren Kindern ihre Ungeschicke des Alltags erleben.
Am Ende wendet sich ein Kind seiner Mutter zu und wir hören den Satz:

„Mama, danke, dass du nicht Papa bist.“

Ich habe mir ein paar Gedanken zum Edeka Werbespot gemacht:

Dieser Spot will provozieren

Und er will Aufregung erzeugen und Aufmerksamkeit für eine Marke erregen. Das ist der Sinn von Werbung.
Hier aber funktioniert die Botschaft nicht.
Denn lassen wir diesen unseligen und familienspaltenden letzten Satz des Clips einmal aussen vor:
Ich schaue – und das meine ich vollkommen Ernst – voller Liebe auf diese Väter, denn Ihnen ist eines gemeinsam, was inzwischen ein paar Generationen von Männern und Frauen in ihrer Kindheit nicht mehr hatten:

Diese Väter sind da!

Sie sind bei ihren Kindern!
Sie sind da, und sie tun etwas, was sehr, sehr menschlich ist: sie machen Fehler. Sie sind voller Liebe und Fürsorge, und ja, sie machen dabei auch Fehler. Und sie bleiben dennoch da. Das nimmt ihnen nicht ihre Würde, im Gegenteil!
Sie leben Menschlichkeit vor.
So, wie das ganz viele Eltern aller Geschlechter tun, so gut es ihnen möglich ist. Und das ist wunderschön und herzerwärmend!
Gibt es etwas Würdevolleres?

Ich habe dieses Video heute abend meinen fast erwachsenen Kindern (17 und 16) gezeigt, und in ihre warmen Augen geblickt. Bis fast zum Schluss. Es ist wirklich nur dieser eine letzte Satz, der diese Wärme mit einem einzigen zynischen Augenblick schockfrostet. Meine Kinder saßen einen langen Moment fassungslos erstarrt da, als würde sich giftige Galle aus dem Bildschirm auf den Tisch ergießen.

Beherzt haben wir das Ganze weggewischt:

Danke, dass es jede*n Einzelne*n von uns gibt!
Danke, dass wir miteinander und füreinander da sind!
Danke, dass wir miteinander und aneinander Fehler machen dürfen, und wir trotzdem für uns alle Platz in unseren Herzen haben.
Danke für die Erinnerung, dass unsere Welt besser ist, als uns Werbemacher einreden möchten, die nichts anderes wollen, als eine Marke zu verkaufen.
Denn
Väter sind Menschen
Mütter sind Menschen
Kinder sind Menschen
Wir sind Menschen

In diesem Sinne:
Alles Gute zum Muttertag!

2019-05-11T14:54:46+00:000 Kommentare