Räume bewusst gestalten

Räume bewusst gestalten

Die Corona-Krise fordert uns alle

auf eine für viele Menschen neue Weise heraus.

Das gilt besonders auch für Paare. In Zeiten von Homeoffice und Ausgangsbeschränkungen wird nun noch wichtiger, was von jeher für unsere Praxis Beziehungsperspektive Leitgedanke ist:

„Stabile, erfüllende Paarbeziehungen setzen eine gute Beziehung zu sich selbst voraus.“

Den eigenen Raum wahrnehmen und würdigen zu lernen, ist nicht nur dafür wichtig, um sich abgrenzen zu können, sondern ganz besonders auch, um bewußte gemeinsame Räume der Begegnung miteinander gestalten zu können.
Das gilt umso mehr derzeit, wo wir wegen Corona und der Ausgangsbeschränkungen „aufeinander hocken“.
Vielleicht ist aber auch gerade jetzt die Chance gut, mit- und aneinander zu wachsen!

Es mag sein, dass viele Paare sich im Moment, oder sowieso schon länger, so aneinander gebunden fühlen wie die beiden Tassen oben im Bild. Sich bewusst zu machen, dass Sie – auch, wenn Sie sich gebunden haben – ganz und eigenständig sind, so wie jede der beiden Tassen im Bild, gibt Ihnen die Möglichkeit, sowohl Freiräume für den Einzelnen als auch gemeinsame Räume des Miteinanders zu gestalten.
Die Corona-Krise ist eine Herausforderung, aber auch eine Chance, dies für sich und miteinander zu lernen.

Wir haben uns in unserer Praxis dazu ein paar Gedanken gemacht, die wir Ihnen hier gern als unterstützende Anregungen anbieten.

Das Wichtigste zuerst:
Machen Sie sich klar, dass es überall, wo Menschen zusammenleben, sowohl Raum für jede und jeden Einzelnen braucht, als auch so etwas wie Räume des gemeinsamen Erlebens.

Ohne Grenzen kein Raum.

Völlig klar: schon unser Körper definiert sich über seine Grenzen. Unsere Haut bildet ganz natürlich eine Begrenzung unseres Körpers. Ohne Begrenzung würden wir unsere Gestalt und unser Gefühl für uns selbst verlieren. Wenn wir z.B. in einem Auto sitzen, sind wir darüber hinaus sogar in der Lage, „unseren Raum“ bis zu den Grenzen der Autokarosserie auszuweiten.
Und wir reagieren verständlicherweise empfindlich, wenn jemand die Grenzen gegen unseren Willen übertritt, etwa, wenn uns jemand in den Kofferraum fährt, oder auch nur beim Spurwechsel zu nahe kommt. Gleichwohl freuen wir uns vielleicht auch, wenn wir nicht alleine Auto fahren, sondern einen freundlichen Menschen zur Mitfahrt in unseren Raum einladen können.

An diesem Beispiel wird klar:

Es braucht Grenzen

Sie sind ein ganz eigener Mensch. Ein Mensch mit eigenen Grenzen, aus denen heraus Sie Ihren eigenen Raum gestalten, den sie für sich alleine haben, aber in den Sie auch andere Menschen einladen können, wenn Sie möchten. Und erst das Bewusstsein für Ihren eigenen Raum macht es möglich, zu unterscheiden zwischen

„Dies hier ist mein eigener Raum“

und
„Das ist unser gemeinsamer Raum.“

Diese Unterscheidung ist wichtig!
Denn ohne ein klares Gefühl für den eigenen Raum lassen sich auch willkommene gemeinsame Räume nicht gestalten!
Um beim Autovergleich zu bleiben:
Dann spüren wir nicht mehr klar, ob mein Gegenüber gerade unwillkommen in meinem Kofferraum ist oder freundlich eingeladen als mein Mitfahrer auf dem Sitz neben mir in meinem Raum ist.

Räume gestalten

Wenn wir bezogen auf Beziehungen von Räumen sprechen, so meinen wir damit:

  • innere Räume, also sinnbildliche Räume, z.B. sind Sie ein eigener individueller Mensch mit ganz eigenen Gedanken, Bedürfnissen und Wegen, diesen zu folgen.
  • äußere Räume, also die reale Umgebung: z.B. die Zimmer der gemeinsamen Wohnung, oder auch nur ein Bereich innerhalb eines Zimmers, z.B. ein Arbeitsplatz, ein Lesesessel, …und auch
  • Zeiträume, innerhalb dessen innere und äußere – eigene und gemeinsame -Räume gestaltet werden.

Fangen Sie also am Besten damit an, sich Ihren eigenen Raum bewusst zu machen.

Gestaltung des inneren Raums

Nehmen Sie sich hierfür doch einmal ein Stündchen Zeit für sich.
Legen Sie sich einen Stift und ein Blatt Papier zur Hand und schreiben auf, was Ihnen dazu einfällt: Wenn Sie auf Ihre eigenen Bedürfnisse blicken, auf das, was Sie gerne tun, was Ihnen wichtig ist, was sie allein tuen wollen oder auch müssen, und worüber sie sich freuen, es in Gemeinschaft zu machen.
Solch eine Liste kann dann z.B. so aussehen:

  • Arbeiten (muss ja schließlich sein)
    ein Buch lesen
  • Yoga
  • essen
  • schlafen
  • einfach chillen und niemanden sehen und hören
  • mich abreagieren, wenn ich wütend bin
  • spazieren gehen (zu zweit)
  • joggen (allein)
  • Duschen, Baden
  • Sex haben (mit mir allein)
  • Sex haben (gemeinsam)
  • heimwerken
  • Musik machen
  • mit Freunden telefonieren
  • Social Media
  • am PC gamen

Was auch immer Ihren persönlichen Bedürfnissen und Wichtigkeiten entspricht: schreiben Sie es auf.
Sie sehen schon: wenn man einmal bewusst darüber nachdenkt, ergibt sich fast von selbst, wo sie gern Zeit und Raum für sich alleine haben möchten, und wo Sie sich über gemeinsame Zeit und gemeinsamen Raum freuen.

Nun haben Sie schon eine gute Grundlage für die

Gestaltung des äußeren Raumes:

Zeichnen Sie doch einmal den Grundriss der gemeinsamen Wohnung auf.
Was erleben Sie in den verschiedenen Bereichen Ihrer Wohnung?
Nehmen sie verschiedenfarbige Stifte zu Hand und tragen in die Grundrisszeichnung ein:
Wo in der Wohnung ist für Sie „mein“ Bereich? Die Ecke, das Zimmer, wo Sie sagen können: „Ja, hier fühle ich mich wohl und sicher.“ Oder auch: „Hier kann ich zur Ruhe kommen.“ Oder auch: „Hier mag ich es, wenn wir uns begegnen.“ Oder: „Hier komme ich richtig in Aktion.“ Was auch immer Ihren Bedürfnissen nach eigenem Raum entspricht.
Möglicherweise gibt es eine Ecke, ein Bereich oder ein Zimmer, wo sie gerne sagen:
„Hier funkt mir keiner rein! Hier darf nur ich verändern und gestalten.“ Oder ist Ihnen das vielleicht gar nicht so wichtig? Spüren sie da ruhig einmal hin, wie es wirklich ist!

Je nachdem, ob sie über eine große Wohnung, ein großes Haus mit vielen Zimmern verfügen, oder ob Sie sich eine kleine Einzimmerwohnung teilen, können nun ganze Zimmer, vielleicht aber auch einfach ein Bord eines Regals und Ihr Lieblingsstuhl „Ihr Raum“ sein, in dem Sie bestimmte Dinge gern erleben oder tuen.

In der Krise, aber auch sonst im Alltag:

Gestalten Sie sich Zeiträume, um miteinander zu sprechen,

und zwar über wesen-tliches: Über das, was Ihren inneren Raum ausmacht. Ihre Bedürfnisse, Wünsche, Visionen, Ängste.
Vielleicht lösen sich darüber ja sogar langjährige Missverständnisse auf.
(Denken Sie nur an die obere Brötchenhälfte, die wir so oft dem Partner überlassen, weil wir denken, er oder sie möge diese lieber als die untere Brötchenhälfte!)

Tauschen Sie sich mit Ihrem Partner über Ihre jeweiligen Raumbedürfnisse aus. Vielleicht gibt es Überschneidungen oder Raumkonflikte? Wie lassen sich diese lösen?
Welche Ideen lassen sich entwickeln? Vielleicht lässt sich z.B. die Nutzung des Regals im Wohnzimmer anders aufteilen? Und vielleicht lassen sich Zeiträume vereinbaren, in denen derselbe Bereich einmal „mein“ Raum und einmal „dein“ Raum ist?
Wie andere Räume auch, haben Zeiträume eine Begrenzung, einen Anfang und ein Ende.

Vielleicht kann Sie dies dabei unterstützen, gut durch die Corona-Krise und die viele Zeit zuhause zu bringen.

Sorgen Sie gut für sich,

indem Sie sich selbst die Freiheit verschaffen, Ihren eigenen Raum zu gestalten.
Dadurch kann es auch im partnerschaftlichen Miteinander leichter fallen,
auch dem Anderen diese Freiheit einzuräumen.
Und gleichzeitig wissen Sie vielleicht besser, was Sie gerne bewusst gemeinsam miteinander erleben wollen.

Und das ist nicht nur in Zeiten von Corona wichtig.
Aber warum sollten Sie diese besondere Zeit nicht auch dafür verwenden, sich das für die Partnerschaft bewusst zu machen?


Für Sie da

Wir sind zur Zeit via Skype und telefonisch gern für Sie da, wenn wir Sie unterstützen können, die Krise möglichst gut für sich und ihre Partnerschaft zu nutzen.
Für Termine erreichen Sie uns wie gewohnt per E-mail über kontakt@beziehungsperspektive.de
oder per Telefon 030 / 757 08 434 .

Kommen Sie gut durch die nächsten Wochen und vor allem:  Bleiben Sie gesund!

Ihre Praxis Beziehungsperspektive

Judika und Eilert Bartels

2020-03-29T14:00:18+00:000 Kommentare

Aus der Opferrolle in die Eigenverantwortung

Aus der Opferrolle in die Eigenverantwortung

Offener Brief an Arne Hoffmann als Antwort auf seine Rezension meines Buchs
huMANNoid | Männer sind Menschen

Lieber Arne Hoffmann,

seit ich Texte veröffentliche und Bücher schreibe, mache ich einige schöne, aber auch spannende Erfahrungen. Und ich lerne eine Menge.
Darüber, wie meine Texte rezipiert werden, aber auch über mich selbst und wie ich damit umgehe, was Menschen aus meinen Texten herauslesen.
Zu den schönen Erfahrungen gehört natürlich der Zuspruch, wenn Menschen von diesen Texten berührt sind, und sie darin vielleicht sogar neue Handlungsspielräume für sich selbst entdecken können. Denn dafür schreibe ich.
Zu den spannenden und für mich lehrreichen Erfahrungen gehört, dass jeder Mensch für sich das herausliest, was der eigenen Erlebenswelt entspricht und deshalb für ihn oder sie besonders wichtig ist. Oft finden Menschen in meinen Texten Aspekte, die mir selbst gar nicht so bewusst waren, und ich freue mich, wenn wir gemeinsam gegenseitig unsere Perspektiven erweitern können.

Gelegentlich aber stelle ich aber auch fest, dass sich Menschen gezielt ganz bestimmte Aspekte herauspicken, um ihre Sicht auf die Welt zu untermauern. Manchmal scheint es mir dann, dass der Blick enger wird und Handlungsspielraum verloren geht.
Ich habe gelernt und lernen müssen, dann stehen zu lassen, was nicht bewegt werden will.

Im Dilemma befinde ich mich jedoch,

wenn ich Zuspruch von Menschen zu meinen Texten erfahre, die doch eigentlich Veränderung bewirken wollen und sich dafür dann aber Aspekte herauspicken, die den Blick wieder eng machen. Dann wird es mir wichtig, Dinge nicht so stehen zu lassen, sondern den Austausch zu suchen, damit wir etwas bewegen können.
Aus diesem Dilemma heraus möchte ich nun in einem offenen Brief auf Deine Buchrezension zu meinem Buch huMANNoid | Männer sind Menschen antworten.

Zu Beginn Deiner Rezension schreibst Du vom Zeitalter „kontinuierlichen Männerbashings“, welches  als „kühne These“ nun den Titel „Männer sind Menschen“ für mein Buch hervorgebracht habe. „Dass das nötig war, zeigen einige Reaktionen, die Bartels auf die Behauptung ‚Männer sind Menschen‘ erhalten hatte und zu denen sarkastischen Lachen und Erwiderungen wie ‚Schön wär´s gehörten.‘, schreibst Du.
Nun war jedoch die Bandbreite der Reaktionen erheblich breiter, als Du es darstellst, und ich habe das in der Einleitung zum Buch auch beschrieben, und es wäre sehr schade, die Reaktionen der Wertschätzung von und gegenüber Männern, die sich in ihrem Menschsein zeigen, hier nicht zu erwähnen: „„Endlich fühle ich mich gesehen“ und „Wie schön, wenn ihr euch zeigt“.

Ohne die volle Bandbreite jedoch wird der Blick eng und es bleibt dem verkannten Mann nur die Rolle als Opfer. Das aber ist nicht mein Anliegen. Im Gegenteil. So schreibe ich im Vorwort:

„ Dieses Buch will weder neue Bilder von Männlichkeit vermitteln, noch will es alte Ideale von Männlichkeit rechtfertigen. Es will nicht einmal danach fragen, was denn Männlichkeit eigentlich ist. Vielmehr steigt es aus einer Geschlechterdebatte aus, die uns als Gesellschaft nun schon mindestens ebenso lange begleitet, wie ich Lebensjahre zähle. Tatsächlich hat es in meinem Leben auch so lange gebraucht, mich und andere Menschen aus all diesen Rollenzuschreibungen zu entlassen. Und das erlebe ich als ebenso verbindend wie befreiend. Jede Begegnung mit einem anderen Menschen wird so auch zu einer Begegnung mit mir selbst.

Mit diesem Buch möchte ich deshalb aus ganzem Herzen an das Einfachste erinnern:
Männer sind Menschen
Frauen sind Menschen
Wir sind Menschen

Wenn wir uns daran wieder erinnern können, dann wird es ganz einfach. Dann wird es leicht, uns in unseren Unterschieden und in unseren Gemeinsamkeiten wertzuschätzen. Wir können uns wieder begegnen. Von Mensch zu Mensch.“

und im Prolog:

„Ich träume von einem Buch, das Männer zeigt und Männer interviewt: Nackt, ungeschminkt und ohne den körperkorrigierenden Einsatz von Photoshop – Männer in ihrer Würde, und in ihrer Verletzlichkeit und in der Stärke, die sich genau daraus ergibt, sich so zu zeigen, wie sie nun einmal sind: Menschen!“

Opfererleben ist ganz sicherlich Teil des Menschseins.

Das Reduzieren auf die Opferrolle hingegen verdeckt weite Teile der menschlichen Ganzheit und nimmt Menschen ihre Würde.
Worum es mir mit dem Buch eigentlich geht, hast Du doch durchaus erfasst und es immerhin am Rande erwähnt:

„Die Strategien, die Eilert Bartels wählt, um dieses Schweigen zu brechen, sind Sich-nackt-machen und Sich-Verletztlich-zeigen. Dazu tritt der Ansatz, einen Menschen „ganzheitlich“ zu präsentieren statt beispielsweise reduziert auf die Rolle des Gewalttäters, Machthabers oder Opfers.“

Das Einnehmen einer Opferrolle in Kombination mit geschickt platziertem Täter*innenvorwurf in Richtung Gegenseite mag eine (mitunter) mächtige Waffe im Geschlechterkrieg sein, und die Kontrahenten lernen stetig voneinander, diese Waffe geschickt einzusetzen. Ich beobachte diese Strategien in Teilen des Feminismus, aber auch in Teilen der Männerrechtsbewegung seit Jahrzehnten. Am Ende nimmt das allen Beteiligten Ihre Würde und vertieft die Gräben.
Das ist der Grund, warum ich mich vor Jahren vom Feminismus abgewendet habe und mich nun auch einer Männerrechtsbewegung nicht anschließen mag.

Ich sehe, wie auch Du, lieber Arne, Deine Lektionen in diesem Geschlechterkrieg gelernt hast, vielleicht das Denken und Agieren in „Strategien“ auch einfach gewohnt bist.
Von daher verstehe ich, dass Du aus meinem Artikel über Gewalt gegen Männer meine Zeilen über das Schweigen und Verstummen der Männer zitierst:

„Wie bereits in den 1970ern, 1980ern, erlebe ich heute erneut wieder das bekannte Bild: In Gesellschaft und Medien heißt es: Männer sind Täter, Frauen sind Opfer. Männer müssen bestraft werden, Frauen müssen geschützt werden. (…) Äußert sich ein Mann zu selbsterlebter sexueller Gewalt, wird ihm oft nicht geglaubt, er wird verlacht, oder sein Erleben für statistisch unbedeutend erklärt. So, als sei sein Erleben geschlechtsbedingt weniger wert als das anderer Menschen. Viele Männer, die ich kenne, sind deswegen schlicht verstummt. Auch, weil sie meist nicht einmal auf Rückhalt von anderen Männern hoffen dürfen. Dieses Schweigen halte ich für gefährlich.“

Ich verstehe, dass es offenbar Teil der Strategie ist, andere für dieses Schweigen verantwortlich zu machen.

Und teilweise magst Du recht haben: Ja, es gibt Versuche, Schweigetabus zu bestärken.
Aber machen wir uns nichts vor: Es gibt diese Versuche auf allen Seiten. Jedoch nicht von allen Beteiligten! Es gibt auf allen Seiten auch Menschen, die zuhören wollen, auch, wenn es unbequem wird. Es gibt auf allen Seiten Menschen, die Räume für Begegnung und gegenseitiges Verstehen schaffen wollen.

Du sprichst – mit Erwähnung eines FAS-Artikels über Dich – die Strategie der Diffamierung des Gegners an und verlinkst auf einen Text von Lucas Schoppe, der daran – durchaus berechtigt – Kritik übt. Schoppe schreibt darin:

„Statt diese Position [Arne Hoffmanns „Plädoyer für eine linke Männerpolitik] wenigstens zu skizzieren, reproduziert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung ein gängiges Klischee: Männerrechtler würden einfach nur spiegelbildlich wiederholen, was Feministinnen vorgemacht hätten, und sich in eine „Opferideologie“ (so eine Schrift der grünen Heinrich-Böll-Stiftung) einspinnen.“

Tatsächlich ist es aber genau das, was auch Du in der Besprechung meines Buches machst, indem Du  eine fiktive Diffamierung überhaupt erst ins Feld holst:

„Dieselbe Demagogie könnte man natürlich auch gegen Eilert Bartels anwenden, wenn er den Hintergrund seiner Aggression erklärt. Ja, selbst aus dieser Buchvorstellung hier könnte man einen neuen Skandal stricken: „Hoffmann gibt gewaltvollem Mann ein Podium“. Alles scheint Recht, nur damit Männer, auch und insbesondere männliche Opfer sexueller Gewalt, weiter brav ihren Mund halten.“

Ich bezweifle nicht, dass es diese Strategien des „Einspinnens in Opferideologien“ gibt. Und ich wiederhole mich, wenn ich schreibe:
Aber es gibt sie auf allen Seiten. Und nicht selten bleiben sie unglaubwürdig:
Ausgerechnet für diesen Artikel von mir über Gewalt gegen Männer, den Du für Deine Argumentation heranziehst, hat mir eine Feministin, Theresa Lachner, Raum gegeben, uns zwar auf ihrem Blog „Lvstprinzip“. Damit das Thema Gehör findet. Dort hast Du ihn ja auch gefunden.

Erneut wiederhole ich mich: Es gibt auf allen Seiten auch Menschen, die Zuhören wollen, auch, wenn es unbequem wird. Es gibt auf allen Seiten Menschen, die Räume für Begegnung und gegenseitiges Verstehen schaffen wollen.
Machen wir es Ihnen und uns selbst nicht schwerer als es ist, indem wir uns hinter Opferrollen verschanzen!

Es liegt in unserer eigenen Verantwortung, diese Räume verantwortungsvoll zu erschaffen und zu nutzen.

So habe ich nicht lediglich die Absicht verfolgt, „den Hintergrund“ meiner Aggression zu erklären“ oder gar zu entschuldigen, sondern möchte vielmehr dazu aufrufen, Verantwortung für das eigene Aggressionspotential zu übernehmen.
Das Schweigen über die selbst erlebte Gewalt ist viel zu oft der Nährboden, der wiederum Gewalt hervorbringt. Viele Menschen aller Geschlechter verdrängen so auch das eigene Aggressionspotential allzu leicht. Und, wie Du mich zitiert hast: „Dieses Schweigen halte ich für gefährlich.“ Ich erläutere das in meinem von Dir zitierten Artikel über Gewalt gegen Männer wie folgt weiter:

„Unabhängig vom Geschlecht: Wer Gewalt erlebt hat, wer diese desktruktive Energie in sich aufnehmen musste, wird sie irgendwie ableiten. Und solange erlebte Gewalt nicht in ein konstruktives Spektrum transformiert ist, wird sie destruktiv abgeleitet. In Form von körperlicher, seelischer oder sexueller Gewalt, gegen andere Personen, gegen Dinge oder gegen sich selbst.
Ich setze mich gerne und aktiv dafür ein, dass sexuelle, körperliche, seelische und strukturelle Gewalt zurückgehen können.
Aber dafür brauchen wir das ganze Bild, und das Bewusstsein, dass jeder Mensch, unabhängig vom Geschlecht, Würde, Schutz und Respekt verdient.
Dafür brauchen wir das Bewusstsein, dass kaum ein Mensch ausschließlich Opfer ist, und kein Mensch ausschließlich Täter, sondern mit höchster Wahrscheinlichkeit beides ist.“

Zur Würde menschlicher Ganzheitlichkeit gehört es für mich, sich mit all diesen Aspekten nicht zu verstecken.

Zur Würde menschlicher Ganzheitlichkeit gehört es für mich, sich nicht hinter der Opferrolle zu verschanzen. Diesem Anspruch habe ich versucht, im Buch huMANNoid | Männer sind Menschen gerecht zu werden. In der Einleitung heißt es dazu:

„Zur menschlichen Ganzheitlichkeit gehören auch Anteile, die wir lieber verbergen. Es ist nicht immer leicht, sich in seiner eigenen Verletzlichkeit zu zeigen. Oft scheint es uns nö- tig, unsere Wunden vor einem erneuten Angriff zu schützen. Noch weitaus heikler wird es, sich mit dem eigenen verletzenden Potential zu offenbaren. Wenn es aber darum geht, Männer in ihrer Ganzheitlichkeit sichtbar und spürbar zu machen, dürfen wir das Thema ‚Gewalt‘ nicht ausklammern. Auch wenn sich die Männer im Gespräch verschiedentlich be- reits mit erlebter und ausgeübter Gewalt gezeigt hatten, war es mir wichtig, noch einmal explizit danach zu fragen. Dass die Männer sich diesen Fragen mit großer Bereitwilligkeit gestellt, in sich hineingehorcht und sich in aller – ihnen im Rahmen unserer Interviews möglichen – Offenheit und Ehrlichkeit gezeigt haben, erfüllt mich mit allerhöchster Wert- schätzung und Dankbarkeit. Vieles wird erst dann handhabbar und kann verarbeitet und bewältigt werden, wenn es ausgesprochen werden durfte.“

Es ist mir wichtig, dass die Bereitschaft dieser Männer, sich so ganzheitlich zu zeigen, gewürdigt wird. Und ich bin sicher, dass sie das wird.  Ich bin mir sicher, dass Selbstverantwortlichkeit für unsere menschliche Würde uns dazu befähigt, unser Schweigen zu brechen.

So, wie es die Männer in huMANNoid | Männer sind Menschen tun.

Ich bin sicher, dass – ganz unabhängig vom Geschlecht – auch diese Stimmen dann endlich das Gehör erhalten, das sie verdient haben. Und dass diese Stimmen uns allen – uns Menschen aller Geschlechter – Mut machen können, uns nicht mehr zu verstecken.
Und dann wird es möglich, dass unser Blick sich weitet, anstatt enger zu werden.

Ich weiß, dass es Dir, lieber Arne Hoffmann, ein Anliegen ist, Veränderung zu bewirken,

und den Blick weiter werden zu lassen.
So, wie es Dir in deiner Buchbesprechung hinsichtlich männlicher Sexualität gelungen ist, wenn Du zusammenfasst:

„Bartels Buch stellt klar, dass die Wirklichkeit komplexer ist und man dem Geschlechterthema nicht gerecht wird, wenn man es so schlicht präsentiert, wie es viele Meinungsführer tun.“

So, wie Du selbst es mit Deinem großartigen Sammelband „Gleichberechtigung beginnt zu zweit“, der in den nächsten Tagen erscheint, in die Welt bringst.
Ich freue mich sehr auf und über Dein Buch, für das Menschen aus allen Lagern der Geschlechterdebatte Artikel geschrieben haben!
Lasst uns die Gräben überwinden und nach vorne schauen!
Lasst uns endlich aufhören, weiter zu spalten und stattdessen eigenverantwortlich Räume des Verstehens und der Verständigung kreieren.

Dafür habe ich das Buch „huMANNoid | Männer sind Menschen“ herausgebracht,
und Du Deinen Sammelband „Gleichberechtigung beginnt zu zweit“, denke ich.
Dafür arbeitet eine wachsende Zahl Menschen, die von all diesen Geschlechterdebatten allmählich genug haben.
Hoffentlich folgen noch viele weitere Impulse von verschiedensten Menschen aller Geschlechter. Denn am Ende gilt für mich

Männer sind Menschen.
Frauen sind Menschen.
Wir sind Menschen.

Sehr herzlich grüßt Dich

Eilert Bartels

2019-05-14T20:16:24+00:000 Kommentare